Mesolithikum

Untersuchungen zwischen Weser, Werra und Oberharz

Durch langjährige Geländearbeiten und Materialauswertungen kann eine Gesamtschau der Entwicklung und Ausbreitung mesolithischer Besiedlung im südlichen Niedersachsen gegeben werden. Zusätzlich wurden Ausgrabungen auf zwei Freilandstationen sowie unter mehreren Abris im Buntsandsteingebiet bei Göttingen durchgeführt.

Die wichtigsten Untersuchungen

Salzderhelden, Ldkr. Northeim
Probegrabung 1973 auf einer Freilandstation auf dem Kleinen Heldenberg im Leinetal. Pfostenbefunde, paläobotanisches Material, lithisches Inventar geschlagener Flint- und Kieselschieferartefakte. Mittleres Mesolithikum.

Volkmarshausen, Ldkr. Göttingen

Grabung Volkmarshausen 1980
Grabung Volkmarshausen 1980
Flächengrabung 1980 am Rande einer weitgehend zerstörten Freilandstation mit Funden der Ahrensburger Kultur („Volkmarshausen III“) im Oberwesertal, Einmündung des Schedetales. Neben Baumwindwurfgruben auch Nachweis anthropogener regelhafter Gruben mit Steinplattenausbau und Fundinhalt. Frühmesolithisches Artefaktinventar, Holzkohlen, angeschliffene Sandsteinplatten. Nach 14C-Daten präborealzeitlich.

Laubach, Ldkr. Göttingen

Mikrostudie an einer kleinen Freilandstation auf der Hochfläche über dem südlichen Werratal-Steilhang östlich von Hann. Münden. Nach Umbruch einer Wiese 1982 Entdeckung des Platzes, in den Folgejahren Feinkartierung des offenkundig zeitlich homogenen Fundmaterials. Dadurch Herausarbeitung einer ca. 35 x 50 m großen Fundkonzentration, als Funde liegen vor: rund 500 geschlagene Artefakte aus nordischem Flint, örtlichem Kieselschiefer und Tertiärquarzit, als Felsgeräte ein Nussknacker (beidseitig gemuldeter Klopfstein), Pfeilschaftglätter, Schleifplatten aus Sandstein, ein geschliffener Dechsel. Nach Mikrolithik (Querschneider) und dem mutmaßlich frühneolithischen Kontaktfund des Dechsels ist der Platz in das frühatlantische Spätmesolithikum zu stellen.

Reinhausen, Bremke, Groß Schneen, Reiffenhausen, Waake, Ldkr. Göttingen

Abri Bettenroder Berg IX: Herdstelle
Abri Bettenroder Berg IX: Herdstelle
Probegrabungen zwischen 1979 und 2000 unter Sandsteinabris, in einem Fall Gesamtausgrabung des Platzes (Abri Bettenroder Berg IX). Siehe dazu Abris.
In teilweise gut gegliederten Sedimentpaketen mit Erhaltungsbedingungen für organische Materialien Nachweis mesolithischer Fundschichten mit erhaltenen evidenten und latenten Befunden. Vorgefunden wurden Feuerstellen, oft mit Steinsetzung, Gruben, Haselnussröstöfen, Steinplattenpflaster, zwei Kindergräber mit Beigaben.


Unter dem Felsdach Bettenroder Berg IX Nachweis von insgesamt vier mesolithischen Besiedlungsphasen: Früh- (Präboreal), Mittel- (frühes Boreal), Jung- und Spätmesolithikum (frühes Atlantikum).
Abri Bettenroder Berg IX: Herdstelle
Abri Bettenroder Berg IX: Herdstelle
Für das mittlere und jüngere Mesolithikum gelang dabei über die Verteilung der Feuerstellen im Abriraum und die Anordnung von Aktivitäts- und Abfallzonen eine Rekonstruktion des Siedlungsmusters eines Schweiflagers von ca. 3 - 5 Familien. In der spätmesolithischen Phase wurden am Bettenroder Berg zwei Kindergräber angelegt: Skelett eines Jungen in gestreckter Rückenlage, Alter ca. 1,5 - 2 Jahre, als Beigaben ein Retuscheur aus Stein, Flint- und Kieselschieferartefakte, Tierknochen (Wildschwein) als Fleischbeigabe; Skelett eines Mädchens in Hockerlage, Alter ca. 3,5 - 5 Jahre, als Beigaben Flint- und Kieselschieferartefakte (u. a. Kernsteine, Mikrolithen), durchlochter Teichmuschelanhänger, Birkenrindenpech mit Kauabdruck, Tierknochen als Fleischbeigabe. In der spätmesolithischen Fundschicht erste Belege „neolithischer“ Wirtschaftsweise: Knochen von Schaf/Ziege, verkohlte Körner von Gerste (Hordeum vulgare L.) und Emmer (Triticum dicoccum).

Abri Bettenroder Berg IX: Mikrolithik
Abri Bettenroder Berg IX: Mikrolithik
Fundspektrum am Bettenroder Berg: geschlagene Artefakte aus nordischem Flint, örtlich vorkommendem Kieselschiefer und Tertiärquarzit, außerdem aus importiertem (Mittelrheingebiet?) Süßwasserquarzit; Artefakte aus Felsgestein, z. B. Geröll mit beidseitigen gepickten Mulden = Nussknacker, Retuscheure, Klopfsteine, Schleifplatten, Fragment einer Geröllkeule, Hämatit-Farbstift; Artefakte aus Knochen und Zahn, z. B. Knochenspitzen (Geschossspitzen?), rötelgefärbte Fischwirbelperle, Hirschgrandelperle; Birkenrindenpech, Tierknochen: Ren (älteres Mesolithikum), Rothirsch, Ur, Wildschwein, Reh, Hase, Wildpferd, Wolf, Fuchs, Biber, Hase, Dachs, Otter, Wildkatze, Hecht, Forelle, domestizierter Hund; Sammelfrüchte: Haselnuss, Schlehe.

Zusammenfassende Literatur in Auswahl

Abri Bettenroder Berg IX: Knochenspitzen
Abri Bettenroder Berg IX: Knochenspitzen

K. Grote, Eine mesolithische Freilandstation im Leinetal bei Einbeck. - Göttinger Jahrbuch 21, 1973, 13-40.

K. Grote, Das südniedersächsische Berglandmesolithikum. - Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen 10, 1976, 75-160.


K. Grote, Die Felsschutzdächer (Abris) im südniedersächsischen Bergland. Ihre archäologischen Funde und Befunde. - Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 51, 1982, 17-70.
 
Abri Bettenroder Berg IX:
Abri Bettenroder Berg IX: "Nussknacker"
K. Grote, Die Buntsandsteinabris im südniedersächsischen Bergland bei Göttingen. Erfassung und Untersuchung ihrer ur- und frühgeschichtlichen Nutzung (1983 - 1987). - Die Kunde N.F. 39, 1988, 1-43.

K. Grote, Das Buntsandsteinabri Bettenroder Berg IX im Reinhäuser Wald bei Göttingen. Paläolithikum und Mesolithikum. - Archäologisches Korrespondenzblatt 20, 1990, 137-147.

K. Grote, Die Abris im südlichen Leinebergland bei Göttingen. Archäologische Befunde zum Leben unter Felsschutzdächern in urgeschichtlicher Zeit. (3 Bände) - Oldenburg 1994.

Abri Bettenroder Berg IX: Spätmesolithisches Mädchengrab
Abri Bettenroder Berg IX: Spätmesolithisches Mädchengrab
K. Grote, Laubach 7. Eine spätmesolithische Station im unteren Werratal (Südniedersachsen). - In: N. J. Conard und C.-J. Kind (Hrsg.), Aktuelle Forschungen zum Mesolithikum. Current Mesolithic Research. Urgeschichtliche Materialhefte 12, Tübingen 1998, 203-221.

K. Grote, Leben und Tod unter dem Felsdach. - Archäologie in Deutschland, Heft 4, Stuttgart 1999, 18-19.